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Teamentwicklung beginnt nicht bei Methoden – sondern bei Menschen

  • Autorenbild: Anna Smesny
    Anna Smesny
  • 12. Mai
  • 8 Min. Lesezeit

In der Feedback-Runde der letzten Coaching-Weiterbildung, die ich geleitet habe, bedankt sich eine Teilnehmerin – und bringt mich mit einem Satz zum Nachdenken: Kann ich wirklich dafür sorgen, dass Menschen sich verbunden fühlen?


Was Führung über Gruppendynamik und Vertrauen lernen kann – und was in Gruppenprozessen nicht in meiner Hand liegt.

„Danke, dass du dafür gesorgt hast, dass wir hier so gut miteinander in Verbindung sind.“ Ich höre den Satz und freue mich. Und im nächsten Moment merke ich, dass mich der Satz irritiert. Etwas an dieser Wertschätzung passt mir nicht ganz.


Klar ist: Ich habe mir Mühe gegeben.
 Ich wollte, dass die Teilnehmenden lernen – fachlich, praktisch und persönlich.
 Und ich wollte, dass sie sich als Gruppe begegnen.

Aber gesorgt? Dass ich dafür gesorgt hätte, dass sie in Verbindung sind?

Ich mache nicht, dass Menschen sich verbinden.
 Verbindung herstellen hieße: Ich ziehe aktiv Fäden zwischen Menschen.

Aber das tue ich nicht.
 Was ich tue: Ich bereite den Boden, auf dem Verbindung entstehen kann.
 Ich gestalte Bedingungen, in denen sich Menschen begegnen können – auf ihre eigene Weise, in ihrem Tempo.
 Ich mische Gruppen durch, gestalte Austausch in wechselnden Konstellationen, öffne Räume – auch für privaten, scheinbar nebensächlichen Austausch.


Denn vertrauensvolles Miteinander in einem Team entsteht nicht durch Methoden, sondern durch Beziehung zueinander.
 Und aus einem vertrauensvollen Miteinander heraus kann ein Team zu Hochform auflaufen.

Ich wollte also ganz klar, dass Verbindung entsteht und dass Vertrauen wachsen kann – zu mir und untereinander.
 Beides konnte ich begünstigen, beides konnte ich einladen.

Ich habe aktiv dafür gesorgt, dass Strukturen vorhanden sind, die Sicherheit geben.
Dass der Dialog offen ist. 
Dass jede*r Raum für sich und für die Gruppe findet.

Aber Vertrauen zu erschaffen oder echtes Lernen zu garantieren – das geht nicht auf Knopfdruck.
 Es ist ein dynamischer Prozess, getragen von der Bereitschaft der Einzelnen und von der Dynamik der Gruppe.

Ein Zauberstab, der all das bewirken kann, existiert nicht.


Was ich eingebracht habe – und was nicht in meiner Macht lag

Meine Haltung: Energie, Präsenz und Flexibilität – statt starrer Konzepte.

Mein Einfluss: Ich habe den Rahmen bewusst gestaltet, Pausen eingeplant und Räume für Selbstreflexion geöffnet. Ich habe den offenen Austausch angeregt und aufmerksam auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden geachtet.

Mein Ziel: Eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle willkommen fühlen und sich leichter auf den Lernprozess einlassen können.

Aber Gruppendynamik ist kein Solo – sie entwickelt sich durch das Zusammenspiel vieler Faktoren, die ich nicht alle kontrollieren kann. Auch wenn ich als Trainerin meine Verantwortung für den Prozess trage, war ich nicht der einzige Wirkfaktor im Raum. Persönliche Erlebnisse, die Bereitschaft jedes Einzelnen und die Dynamik der Gruppe spielen ebenfalls eine Rolle.


Schlüssel zur Veränderung: Teambuilding und Führungskompetenz

Was ich als Trainerin immer wieder erfahren habe, ist, dass Führungskompetenz im Kontext von Teamentwicklung nicht nur in der Methode liegt, sondern vor allem in der Haltung und der Selbstreflexion der Führungskraft. Als Trainerin bin ich nicht nur für den Inhalt verantwortlich, sondern auch dafür, wie ich den Raum für die Teilnehmenden halte und wie ich Veränderungsprozesse anstoße. Teambuilding passiert nicht über Nacht, sondern in kleinen, aber konstanten Schritten, die von allen – mir eingeschlossen – getragen werden müssen.


Zwei Gruppen – zwei völlig verschiedene Dynamiken

Struktur, Planung oder Fachlichkeit zahlen durchaus auf Gruppendynamik ein. Wie sehr sie aber noch von anderen Faktoren beeinflusst wird, zeigt sich im Vergleich besonders deutlich. Ich bringe mich (nach Kräften) immer mit gleicher Haltung, ähnlichem Ablauf und derselben Sorgfalt ein – und trotzdem entsteht etwas völlig anderes im Raum.

In über 400 Trainingstagen habe ich gelernt: Selbst ein kleiner Unterschied am Anfang kann die Gruppendynamik nachhaltig prägen. So auch bei zwei Weiterbildungsgruppen, die ich im Abstand von wenigen Wochen begleitet habe. Beide Formate waren sehr ähnlich, die Rahmenbedingungen nahezu identisch – und trotzdem hätten die Prozesse kaum unterschiedlicher sein können.

Anna Smesny I Zusammenarbeit verbesern durch verbesserte Kommunikation in Teams

Was beeinflusst Gruppendynamik?

Gruppe A: Herausfordernd

Der Start war holprig: Ich kam wegen Bahn-Chaos verspätet, und der Raum – von jemand anderem vorbereitet – fühlte sich für mich nicht zu 100% stimmig an. Das Einstiegsthema war emotional aufgeladen - aus meiner Sicht relevant und interessant – aber es verlangte sofortige Tiefe, ohne dass die Gruppe oder ich richtig ankommen konnten. Die Teilnehmenden kannten sich bereits, es gab gewachsene Dynamiken und eine vorherige Bezugsperson. Ich kam später dazu – und spürte sofort, dass etwas nicht stimmte – als würde eine unsichtbare Mauer zwischen mir und den Teilnehmenden stehen. Das Vertrauen untereinander war brüchig, das Vertrauen zu mir kaum spürbar. Die Gespräche verliefen vorsichtig, als würde jede*r innerlich abklopfen, was geht und was nicht. Offenheit entstand punktuell – aber nicht als kollektiver Fluss.

Gruppe B: Leicht und lebendig

Der Start hier war ruhig, pünktlich und klar strukturiert. Ich war in Präsenz, Haltung und Kontakt – und die Gruppe auch. Keine vorab geformten Muster, keine bestehenden Allianzen, da ich diese Gruppe ab Tag 1 begleitete. Die Tage liefen mit einer Mischung aus Offenheit, Neugier, Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit. Der persönliche Austausch war intensiv und es war spürbar, wie schnell Vertrauen und Verbindung untereinander entstanden – das Ganze fühlte sich fließend an. Es war nicht weniger fordernd. Auch hier waren die Menschen müde, belastet, mit kleinen Kindern, Jobs und Leben. Und trotzdem: Es war irgendwie leichter im Miteinander - als wären wir alle auf derselben Wellenlänge.


Lerneffekte aus der Praxis: Vertrauen braucht Timing und Präsenz

Aus Gruppe A: Der erste Eindruck prägt – Priming wirkt. Mein verspäteter Start, auch wenn er unverschuldet war, hat vermutlich Misstrauen aktiviert. Das Vertrauen zu mir wurde nicht sofort aufgebaut, und der Einstieg fühlte sich eher zögerlich an. Ein aktiv gestalteter Auftakt, in dem alles klar strukturiert und in Präsenz da ist, hätte wohl den gesamten Prozess positiv beeinflusst. War mir klar – jetzt ist es Gewissheit.

Aus Gruppe B: Wenn ich präsent bin – ruhig, klar, zugewandt – dann ist das spürbar. Es schafft Resonanz. Und Resonanz ist der Boden, auf dem Vertrauen wachsen kann. Ich kann diese Bedingungen begünstigen, aber die Bereitschaft zur Verbindung liegt bei den Menschen selbst. Was in Gruppe B möglich war, hätte auch in Gruppe A entstehen können – wenn die Voraussetzungen anders gewesen wären.


Reflexionsfrage:

  • Kennst du solche Unterschiede in Gruppenprozessen?

  • Was verändert die Dynamik – wirklich?

  • Und was liegt jenseits unseres Einflusses?


Alleine können wir so wenig tun, zusammen können wir so viel tun. - Helen Keller

Was Führungskräfte aus Gruppendynamiken lernen können:

Wenn ich auf diese beiden Gruppen zurückblicke, wird eines deutlich: In Führung und Teamentwicklung ist manches gestaltbar – und manches bleibt außerhalb der eigenen Reichweite.


Was Führungskräfte konkret tun können:

  1. Positives Priming: Der erste Eindruck kann Weichen stellen für den restlichen Verlauf. Aktiv in die Gestaltung des Auftakts eingreifen. Dies umfasst bewusstes Priming, um eine positive, offene Atmosphäre zu schaffen und die Stimmung für das bevorstehende Gespräch oder Meeting zu setzen.

  2. Rapport aktiv gestalten: Vertrauen wächst nicht zufällig. Es braucht bewusstes Handeln – in Sprache, Körpersprache, Aufmerksamkeit in jeder Interaktion.

  3. Frühzeitige Irritationen ernst nehmen: Kleine Störungen verschwinden selten von selbst. Wer sie früh sieht und anspricht, verhindert, dass sie Wurzeln schlagen. Es geht darum, die Dynamiken früh zu erkennen und zu adressieren.

  4. Kultur nicht nur lesen, sondern prägen: Als Führungskraft bist du nicht nur Beobachter*in – du setzt Impulse, die Kultur formen. Jeden Tag. Es ist entscheidend, nicht nur auf das Vorhandene zu reagieren, sondern die Team-Kultur aktiv zu gestalten.

  5. Struktur geben – ohne Starrheit: Menschen brauchen Orientierung, aber keine Gängelung. Die Struktur hält den Raum – nicht die Menschen. Klarheit ist wichtig, aber der Raum muss gleichzeitig Flexibilität bieten.

  6. Raum für Beziehung und Zielorientierung halten: Beides braucht Platz. Nur auf das eine zu setzen, schwächt das Ganze. Es ist die Balance zwischen Menschlichkeit und Zielgerichtetheit, die das Team weiterbringt.

  7. Verantwortung teilen – nicht alles auf den eigenen Schultern: Gruppendynamik ist keine Solo-Performance. Wer Verantwortlichkeiten klar benennt, stärkt Selbstwirksamkeit – und entlastet sich selbst. Verantwortung in einem Team sollte verteilt werden, um das Kollektiv zu stärken.

  8. Feedback einladen – nicht nur geben: Ein Raum, in dem auch Führung Feedback empfängt, wird resilienter. Nicht weichgespült, sondern klar: Ich bin nicht perfekt. Und ich will lernen. Feedback ist ein wechselseitiger Prozess, der Wachstum ermöglicht.

  9. Die eigene Wirkung reflektieren – regelmäßig: Manchmal bin ich die Irritation. Oder der Katalysator. Oder beides. Sich das klarzumachen, ist unbequem – und genau da liegt das Gold. Die Reflexion über die eigene Wirkung im Team ist ein stetiger Prozess der Weiterentwicklung.

  10. Selbstklärung betreiben: Wo kannst du gestalten? Wo bist du flexibel? Wo setzt du klare Grenzen? Ohne diese innere Arbeit wird äußere Führung schwammig. Eine regelmäßige Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung und den eigenen Grenzen ist entscheidend für authentische Führung.


Als Führungskraft unterscheide ich bewusst zwischen dem, was vollständig in meinem Einflussbereich liegt – und dem, wofür ich die Mitwirkung anderer brauche. Dort, wo ich selbst gestalten kann – etwa durch Präsenz, Klarheit und Struktur – übernehme ich Verantwortung. In allem anderen bin ich auf Beziehung angewiesen. Rapport ist dabei der Schlüssel: Er ermöglicht vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Zu wissen, was ich konkret tun kann, um Rapport zu ermöglichen, gibt mir Orientierung und Handlungsfähigkeit – selbst in herausfordernden Gruppendynamiken.

Das heißt auch: Es gibt kein „Rezept“ für gelingende Führung – aber es gibt Orientierung. Und diese beginnt mit der eigenen Reflexion. Wer sich regelmäßig fragt, wo der eigene Einfluss beginnt – und wo er aufhört – führt bewusster. Und wer eigene Muster erkennt, kann neue Wege gehen – im Umgang mit Menschen, Konflikten und Komplexität.


Reflexionsfragen:

  • Woran merkst du frühzeitig, dass eine Gruppendynamik kippt?

  • Was gibt dir in unsicheren Prozessen Stabilität?

  • Wo könntest du deinen Einfluss bewusster und mutiger nutzen?


    Anna Smesny I erfolgreiches Teamwork

Was starke Führung im Kleinen zeigt

Checkliste: Führung, wenn es drauf ankommt

☐ Habe ich den ersten Eindruck bewusst gestaltet – oder einfach laufen lassen?

☐ Habe ich aktiv Vertrauen aufgebaut – oder nur darauf gehofft?


☐ Habe ich kleine Irritationen ernst genommen – oder ausgesessen?


☐ Habe ich die Kultur geprägt – oder mich nur angepasst?


☐ Habe ich Struktur angeboten – ohne Menschen einzuschnüren?


☐ Habe ich Beziehung und Zielorientierung im Blick behalten?


☐ Habe ich Verantwortung geteilt – oder alles auf meine Schultern geladen?


☐ Habe ich Feedback eingeladen – nicht nur verteilt?


☐ Habe ich meine eigene Wirkung reflektiert – auch, wenn es unbequem war?


☐ Habe ich meinen Gestaltungsspielraum klar?


☐ Weiß ich, wo ich verhandelbar bin – und wo nicht?


In Führung und Teamentwicklung geht es nicht darum, alles alleine zu meistern – sondern die Dynamik zu verstehen und aktiv mitzugestalten. Führung ist nicht einseitig. Sie entsteht aus der Zusammenarbeit und der Fähigkeit, gemeinsam etwas zu bewirken.


Wir wirken. Aber nie allein.

Führung, Coaching, Teamentwicklung – das ist keine Solo-Performance. Es ist ein Zusammenspiel, bei dem wir unsere Haltung, unsere Entscheidungen und unsere Energie einbringen. Doch wir treffen auf Dynamiken, die längst laufen, bevor wir selbst aktiv werden. Was wir tun können, ist den Raum zu gestalten – den Raum für Wachstum, Veränderung und Begegnung. Was wir nicht beeinflussen können, sind die Wege, die die Menschen selbst gehen.

Starke Führung weiß: Wir können nicht alles steuern. Aber wir können prägen, begleiten und Raum halten – und genau darin liegt die wahre Stärke.


Zusammenzukommen ist ein Anfang. Zusammenbleiben ist ein Fortschritt. Zusammenarbeiten ist Erfolg. - Henry Ford

Für Führungskräfte bedeutet das: Wer Gruppenprozesse erfolgreich gestalten möchte, braucht mehr als Methoden. Es geht um eine Haltung, die von Vertrauen, Resonanz und der Bereitschaft zur Selbstreflexion geprägt ist – besonders in den Momenten, in denen es ins Stocken gerät. In der Zusammenarbeit entsteht der wahre Wert. Denn Vertrauen im Team zu etablieren ist ein kontinuierlicher Prozess, der nicht nur Führungskräfte, sondern jedes einzelne Teammitglied mit einbezieht. Nur so kann ein echtes, produktives Miteinander entstehen.


Du möchtest Führung so gestalten, dass sowohl Beziehung als auch Zielorientierung in Einklang stehen? Ich begleite dich gern dabei. Schreib mir, und wir finden gemeinsam Wege, wie du das Vertrauen im Team nachhaltig aufbauen kannst.

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